Klimanotstand in Birkenwerder – Und was jetzt?
von A. Müller · Veröffentlicht · Aktualisiert
Vor einem Monat wurde in Birkenwerder, wie bereits in vielen deutschen Gemeinde und Städten, der Klimanotstand ausgerufen. Doch was es damit überhaupt auf sich und welche Folgen hat dies für die Gemeinde?
Woher kommt der Begriff Klimanotstand?
Der Begriff „Klimanotstand“ ist nicht neu. Bereits im Jahr 2009 gab es im australischen Melbourne sogenannte Klimanotstands-Kundgebungen („Climate-Emergency-Rallye“). Um die Dringlichkeit anzuerkennen angesichts des Klimawandels Gegenmaßnahmen zu finden, rief die australische Stadt Darebin im Dezember 2016 als erste Stadt weltweit den Klimanotstand aus. Der Club of Rome, jener Zusammenschluss von Experten, welcher sich schon 1972 mit ihrem Bericht „Grenzen des Wachstums“ für eine Nachhaltige Entwicklung engagierte, veröffentlichte 2018 einen Zehn-Punkte-Plan zur Begrenzung der Erderwärmung mit dem Titel „Climate Emergency Plan“. Mit dem Schulstreik der Greta Thunberg im August 2018 und der daraus resultierenden weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung wurde die Klimadebatte in vielen Parlamenten weiter angeregt und veranlasste weitere Städte und Gemeinden den Klimanotstand auszurufen. Bis zum heutigen Tage wurden deutschlandweit Beschlussanträge in 254 lokalen Parlamenten vorgelegt. Aus verlässlichen Quellen geht hervor, dass bislang in mindestens 76 Städten und Gemeinden der Klimanotstand ausgerufen und in 39 Kommunen die Beschlussvorlage abgelehnt wurde.
Was bedeutet der Klimanotstand?
Für viele Städte gilt der Ausruf des Klimanotstandes als symbolische Geste der lokalen Politik zur Anerkennung, dass es eine globale Klimakrise gibt und der Thematik in Bezug auf lokale Entscheidungsprozesse eine hohe Priorität eingeräumt wird.
Die Begrifflichkeit des Klimanotstandes ist umstritten, da der Notstand als Zustand der gegenwärtigen Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, verursacht etwa durch Umweltkatastrophen oder Krieg, gemäß § 34 StGB als Rechtfertigungsgrund für die Aufhebung von Gesetz und Recht dienen kann. Jedoch ist dies nicht zwangsläufig die Folge eines Notstandes. Daher könnte argumentiert werden, dass die bewusste Wahl der Begrifflichkeit einen starken politischen Willen zum Ausdruck bringen soll und auch in Abwesenheit einer „gegenwärtigen“ – aber zu erwartenden – Gefahr für die Menschen Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erwärmung getroffen werden sollten.
Welche Folgen hat der Klimanotstand in Birkenwerder?
Klimavorbehalt
Die Beschlüsse der Gemeindevertretung legitimieren das Handeln der Verwaltung. Daher ist es wichtig, welche Arbeitsaufträge daraus hervorgehen. Im Beschlusstext zum Klimanotstand heißt es:
"Die Gemeinde Birkenwerder wird zukünftig alle Entscheidungen, die in der Gemeindevertretung getroffen werden, grundsätzlich auch auf ihre Klimarelevanz überprüfen. Dafür werden die Sitzungsvorlagen für die Gemeindevertretung um eine Einschätzung zur Klimarelevanz der behandelten Themen ergänzt. [...] Alle Anträge, die in die GVV zur Abstimmung eingereicht werden, müssen eine Abschätzung zu Klimafolgen enthalten. Es sind Vorschläge zur klimaneutralen Umsetzungen vorzulegen" (Fettmarkierung vom Autor hinzugefügt)
Mit diesem Beschluss soll ein sogenanntes Klimaschutz-Controlling und -monitoring stattfinden. Das bedeutet, dass bei sämtlichen Beschlussvorlagen, sei es zur Vergabe von Bauleistung oder zur Beschaffung von Druckerpapier, ein Sach- und Fachkundiger einschätzen soll, welchen Einfluss dies auf den Klimawandel hat. Dies ist wichtig, weil Gemeindevertreter*innen bei der Abwägung über das Für und Wieder von Beschlussvorlagen über deren Folgen für den Klimawandel informiert sein sollten.
Darüber hinaus sind bei jenen Beschlussvorlagen, die möglicherweise besondere Auswirkungen auf das (lokale) Klima haben könnten, Vorschläge zu erarbeiten, die eine (nahezu) klimaneutrale Wirkung besitzen. Hier wird demnach direkt im Planungsprozess von politischen Entscheidungen angesetzt. Die Frage bleibt, angesichts der schieren Anzahl von Vorlagen,wer kümmert sich um all das? Hier muss in den kommenden Monaten ein effizientes System entwickelt werden den Klimavorbehalt in politische und planerische Prozesse zu integrieren.
Stabsstelle Klimaschutz
"Die Gemeindevertretung erkennt die Bedeutung der Funktion eines hauptamtlichen Klimaschutzmanagers. [...] Diese Stelle ist in der Haushaltsplanung zu berücksichtigen. Die / der Klimaschutzmanager/in sollte dem Bürgermeister unmittelbar unterstellt und die Stelle als eigenständige Stabsstelle „Klimaschutzbeauftragte/r der Gemeinde Birkenwerder“ eingerichtet werden".
Seit 2017 gibt es einen Klimaschutzmanager in der Gemeinde. Der Arbeitsplatz ist eine Projektstelle, die befristet auf 3 Jahre zu zwei Dritteln aus Fördermitteln des Bundesumweltministeriums bezuschusst wird. Für diese ersten 3 Jahre wurde ein Arbeitsplan aus 22 Maßnahmen mit hoher Priorität zur Umsetzung des integrierten Klimaschutzkonzepts zusammengestellt.
Mit dem Beschluss erhält die / der Klimaschutzmanager / in bis auf Weiteres eine Festanstellung und wird direkt dem Bürgermeister unterstellt. Das Klimaschutzmanagement wäre die erste Instanz den klimavorbehalt zu sichern. Dennoch bedarf es mehr.
Hier könnte die Lenkungsgruppe Klimaschutz in Zukunft eine größere Rolle spielen, da das Expertengremium aus Politik, Verwaltung und Bürgern bereits in der Gemeindevertretersitzung im August dieses Jahres eine größere politische Rolle eingeräumt und an den Hauptausschuss angegliedert wurde. Folglich könnten Beschlussvorlagen zur Empfehlung direkt in den Hauptausschuss eingereicht werden und auch die Klimarelevanz von Beschlussvorlagen durch die Expertengruppe eingeschätzt werden.
Klimaschutzcontrolling und -monitoring
"[Die GVV] beauftragt die Verwaltung, in regelmäßigen Abständen, mindestens alle zwölf Monate, über die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels sowie die Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in Birkenwerder zu berichten. Dies umfasst auch mögliche Maßnahmen der Anpassung an Folgen des Klimawandels (z.B. Extremwetterereignisse). Sie beauftragt die Verwaltung, das bestehende Klimaschutzkonzept, unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und Ergebnisse, zu überprüfen und jährlich fortzuschreiben.
Ein jährlicher Statusbericht über den Umsetzungsstand von Klimaschutzmaßnahmen wird von der Politik eingefordert und ist ein wichtiger Bestandteil des Klimaschutz-Controllings, ganz nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.
Mit der Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes wird nicht nur ein Stein ins Rollen gebracht, um neue Ideen und Wege zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu finden, sondern darüber hinaus auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandelns in Betracht zu ziehen. Letzteres spielte beim vorangegangenen Konzept eine untergeordnete Rolle.
Jedes Jahr 10 neue Bäume
Es war der Wunsch der Gemeindevertretung mit dem Beschluss zur Ausrufung des Klimanotstandes eine erste Klimaschutzmaßnahme zu beschließen. Man hat sich dazu entschlossen jedes Jahr 10 großkronige Bäume, wie etwa Ulmen oder Platanen, in Birkenwerder zu pflanzen.
Welche weiteren Maßnahmen mit dem Klimanotstand ins Rollen kommen werden, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Dann wird dazu erneut berichtet.
Mit klimafreundlichen Grüßen,
ihr Martin Thiele